Ein KlassenPate berichtet
Meinen Ruhestand wollte ich nicht nur zu Hause oder auf Reisen verbringen. Ich habe schon immer gerne mit Menschen gearbeitet und so lag es nahe, mich weiterhin im zwischenmenschlichen Bereich zu engagieren. Daher bin ich jede Woche ehrenamtlich ein paar Stunden als KlassenPate in einer Burghausener Grundschule tätig und empfinde diese Aufgabe als sehr erfüllend und abwechslungsreich. Ich unterstütze eine Lehrerin im Unterricht, was auf den ersten Blick Konflikt beladen sein könnte. Meine Erfahrungen sind hier aber sehr positiv und bestätigen solche Befürchtungen nicht. Voraussetzung jedoch ist, sich genau an die zwischen Kinderschutzbund und Schule vereinbarten Spielregeln zu halten, der Lehrerin konsequent das Sagen zu überlassen und sich auf das Wohl der Kinder zu konzentrieren.
Es hat ein paar Monate gedauert, bis die Kinder genügend Vertrauen zu mir gefasst hatten und ich nicht mehr skeptisch beäugt wurde. So werde ich jetzt beim Betreten des Klassenzimmers sofort mit einem herzlichen "Grüß Gott, Herr Hollfelder" begrüßt und man macht mir im Gesprächskreis gleich Platz. In der Pause zeigen mir die Kinder dann begeistert ihre neuesten Errungenschaften wie z.B. Bücher oder technisches Spielzeug. Wir besprechen solche Käufe und ich erfahre, dass derartige Ausgaben aus dem Taschengeld durchaus genau überlegt wurden.
Bei Mathematik und Deutsch ging es zur Sache. In Mathematik lernte ich zum Beispiel einen neuen Weg kennen schriftlich zu dividieren. Bei Übungen gingen die Lehrerin und ich durch die Reihen und halfen bei Schwierigkeiten. Es war schön zu sehen, wie die Kinder Fortschritte machten und ich einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte. Insbesondere waren die Kinder dankbar, die zuhause wenig Unterstützung erfuhren. In Deutsch konzentrierte ich mich auf Rechtschreibung und Lesen - zwei Schwerpunkte, die aus meiner Sicht im heutigen Lehrplan zu kurz kommen, jedoch im Alltag die persönliche Visitenkarte sowie Grundlage für Fremdsprachen sind. Verständnisfragen zu dem gelesenen Text stellten dann eine ganz besondere Herausforderung dar.
Auch persönliche Probleme kamen vor. So fiel mir ein Schüler auf, der immer in der Früh niedergeschlagen und geistesabwesend zum Unterricht kam. Ich schaffte es, mit ihm darüber zu sprechen und er vertraute mir an, dass er immer so traurig sei und nicht wisse, was er dagegen tun solle. Hier war rasches Handeln angesagt und zusammen mit der Lehrerin konnten wir diese heikle Situation aufklären.
Natürlich haben so manche Kinder mir gegenüber ihre Grenzen ausgelotet. Zum Beispiel wurde ein Lesezirkel zu viert außerhalb des Klassenzimmers zur Herausforderung. Da halfen so manche Tricks, die ich der Lehrerin abgeschaut hatte oder die in Schulungen behandelt wurden. Eine wichtige Erfahrung war, keine Hilfe "von außen" zu holen und das Geschehene im Raum zu belassen. "Ich petze nicht", habe ich einem Kind geantwortet, das sofort die Lehrerin holen wollte und das schien Eindruck hinterlassen zu haben. Die Situation habe ich in einem der regelmäßig stattfindenden Treffen der Burghausener KlassenPaten zur Diskussion gestellt. Auch hier galt selbstverständlich Schweigepflicht.
Die Aufgaben der Burghausener KlassenPaten haben im ganzen Landkreis Interesse geweckt. Zunehmend haben mehr Schulen eine solche Unterstützung im Unterricht angefragt. So hoffe ich, nicht der einzige männliche KlassenPate zu bleiben.

Dr. Helmut Hollfelder, KlassenPate